Rezensionen etc.


Was an diesem Roman reizt, sind die meta-fiktive Technik, der Sprachduktus und die weitläufigen Intertextualitäten. Der erste Teil ist noch voller vermeintlicher Ordnung und Normalität, der zweite setzt den Leser auf die Spur, dass hier etwas nicht mehr "normal" zugeht und die Verrücktheit sich immer stärker einschleicht, der dritte aber setzt den Leser erst auf die Rutsche des Un-Sinns und er strudelt auf ihr hinab und hinauf in und durch den Kosmos des Chaos, der sich in der Aufhebung bzw. Verwirrung von Sinn und Semantik manifestiert.
Der dritte Teil lässt den Leser noch mehr über H.s Scheitern an Kunst und Realität teilhaben, er wird noch ein Stück weiter durch seine Zerrüttung begleitet und Sprache selbst wird immer mehr aus ihren normierten Angeln gehoben, jegliche semantische Relationen werden über weite Teile aufgehoben und bleiben zugleich den syntaktischen, morphologischen, wortbildenden etc. Regeln verhafet - die Worthülsen und ihre Anordnung sind konform und geben sich dem Sprachzentrum gegenüber als richtig, doch Sinn und Bedeutung gibt es kaum noch bis gar nicht mehr. Es schwindelt einen geradezu bei der Lektüre und in dieser Form hat man das - beispielsweise an Beckett oder Joyce denkend - in all der bislang einem begegnete Literatur noch nicht erlebt! Gewaltige Bilder und Empfindungen erstehen, ohne dem Verstand fassbar zu werden, alles strudelt in einen Kosmos aus Chaos - hier an die guten Alten Griechen und ihre Kosmogonie denkend - und über den Sinn fällt die Nacht herein. Doch wird der Leser vor der totalen Empörung und dem schnellen Überdruss an solchem Un-Sinn bewahrt, indem das Ganze erstens in einen Sinn gebenden Kontext - H.s Leben in der Anstalt - eingebettet ist und zweitens die komplette "Entstellung" der Sprache schleichend in - vermeintlich - nachvollziehbare Bahnen zurückleitet, so dass der Leser - irrtümlicherweise - das Gefühl bekommt, das Gesagte wieder begreifen zu können, bis sich alles in den übersurrealistischen abschließenden Sprachbildern von H.s Erinnerung und Traum erneut auflöst. Toll!


(Cecilia Wirth, Literaturwissenschaftlerin und Lektorin)

 

5.0 von 5 Sternen Verkehrte Welt mals anders, 1. April 2012
Von
exquistus "exquistus" (Leipzig) - Alle meine Rezensionen ansehen
(TOP 1000 REZENSENT)
Rezension bezieht sich auf: Der Y psi lonische Grat: (1 chic saal in 3 thai len)
(Broschiert)
Schon der Titel lässt es erahnen 'dieser Roman ist anders. August Mackes 'Gemüsefelder auf dem Cover tragen auch nicht unbedingt zur (Er-)Klärung des Phänomens bei. Und die Einleitung. Mehrfach geteilt 'Gedankensprünge. Puh, hier kommt was auf Sie zu.
Der Erzähler der Geschichte bringt uns Hubert näher. Hubert ist Lehrer, foppt gern mal seine Schüler, scheint aber ansonsten ein ganz umgänglicher Mensch zu sein. Seine intellektuellen Ausflüge und Gedankensprünge machen es aber dem Gegenüber oft schwer dies zu akzeptieren.
Hubert beginnt zu schreiben 'ein Roman soll es werden. Der Erzähler wird zum Lektor und Mentor zugleich. Denn Huberts Ausführungen (inkl. einer kompletten Kurzgeschichte und eines Tagebuches, das Mitte der 1920er Jahre beginnt) weist Lücken auf. Der Tagebuchschreiber ist an bedeutenden Daten an ebenso bedeutenden Orten. Zum Beispiel am 11. September 2011 in New York oder am 1. September 1939 in Gleiwitz oder Ende Februar 1933 am Berliner Reichstag. Doch mit keiner Silbe erwähnt er die Flugzeuge in den Towern des World Trade Centers noch den Ausbruch des Weltkrieges noch den Reichtstagsbrand. Geschichtsverdrängung?
'Der Y psi lonische Grat' nimmt den Leser mit 'bis zur Weggabelung' so entsteht ein Ypsilon. Hier trennen sich Lesegewohnheit und Geschichte. Man kann die Sache auch anders herum sehen. Leser und Geschichte finden erst in der Mitte zusammen und beschreiten dann den restlichen Weg gemeinsam. Und der ist wahrhaft nicht einfach.
Der Autor des Buches (also im Buch, also Hubert) verfällt nach und nach dem Wahnsinn. Die deutsche Grammatik wird aufgeweicht. Satzzeichen sind die ersten Opfer des Wahnsinns. Lücken zwischen den Buchstaben? Wozu? Hubert lebt in seiner eigenen Welt.
Peter Schoenen unterteilt Huberts 'chic saal in 3 thai le'. Doch er lässt den Leser nicht allein mit seiner (der des Lesers) Verwirrung. Am Ende löst er alles brav auf.
Nun, der 'Y psi lonische Grat' ist kein Buch für jedermann und jederzeit. Man kann es nicht einfach mal so beiseitelegen und irgendwann wieder in die Hand nehmen. Dieses Buch erfordert die ganze Aufmerksamkeit des Lesers. Eine gehörige Portion Humor sollte man auch mitbringen und: Geduld. Viel Geduld. Und Konzentration. Dann, und nur dann wird dieses Buch zum Hochgenuss!
 
4.0 von 5 Sternen Der Y psi lonische Grat, 26.Juni 2012
Von
Kerry
Rezension bezieht sich auf: Der Y psi lonische Grat: (1 chic saal in 3 thai len)
(Broschiert)
 
Hubert von Hasten hat in seinem Leben einiges probiert - erfolgreich darin war er bis dato nicht. Doch jetzt, jetzt weiß er, was er zukünfitg machen will: Hubert wird ein Buch schreiben - nicht irgendein Buch, nein, ein Bestseller wird es werden. Hauptberuflich ist er zwar ein im Staatsdienst stehender Pädagoge, aber mal ehrlich, seine Berufsbezeichnung als "Professioneller Wissensvermittler im Rotstiftmilieu" macht schon eher was her. Fakt ist, Fantasie hat er bzw. genügend Flausen im Kopf, jetzt heißt es, sie auf Papier zu bringen.
Sein bester (namenloser) Freund ist eher skeptisch - zu oft hat er schon mit angesehen, wie Hubert sich Hals über Kopf in ein neues Vorhaben gestürzt hat und es genauso schnell wieder aufgegeben hat, immerhin kennen sich die Beiden bereits seit ihrer Schulzeit. Erstaunt muss sein Freund aber feststellen, dass Hubert tatsächlich etwas zu Stande bringt, dass man als Buch bezeichnen könnte. Als bester Freund ist es natürlich seine Pflicht, Hubert nach Kräften zu unterstüzten und in der Tat, der Stoff, den er sich erdacht hat, scheint wirklich lesbar zu sein. Doch dann erhält er einen Anfruf seines Verlages - seine Romanidee wurde bereits in leicht abgewandelter Form von einem anderen Verlag herausgebracht - noch dazuz von einem Bestsellerautoren. Huberts Roman ist also, noch bevor er vollendet wurde, gestorben.
Hubert ist am Boden zerstört, er hat förmlich seine ganze Energie in dieses Projekt gesteckt. Er einigt sich mit seinem Freund, dass etwas Abstand vielleicht wieder Ruhe und Optimismus in sein Leben bringen wird. Er wird von seinem Freund daher in den Urlaub geschickt, jedoch mit der Aufgabe, aus einem Satz seines verstorbenen Manuskripts eine neue Geschichte zu erschaffen. Hubert hat zwar Ideen, allerdings sind diese eher durchschnittlich bis unterirdisch, es will einfach nicht gelingen. Dann verschwindet Hubert plötzlich. Sein Freund macht sich auf die Suche, doch diese entwickelt sich eher zu einer Schatzsuche durch Huberts Romanidee. Werden die beiden Freunde wieder aufeinander treffen oder ist Hubert verloren in seiner lieterarischen Welt?
 
Was für ein überaus faszinierendes Buch! Das Buch selbst wurde in 3 Teile eingeteilt (wie der Untertitel bereits verrät). Der erste Teil widmet sich dem Schaffen von Hubert an seinem Werk und der Faszination seines Freundes an demselben. Doch er verschwindet und es ist im zweiten Teil des Buches die Aufgabe seines Freundes, ihn zu finden. Der dritte Teil ... nein, das verrate ich nicht. Der Plot wurde sehr schön ausgearbeitet, gerade den Aspekt der Entstehung eines Romans durch einen eher chaotischen Menschen fand ich unheimlich faszinierend. Besonders beeindruckt hat mich allerdings der Schreibstil. Bereits beim Intro hatte mich der Autor an der Angel und ich war sehr erpicht zu erfahren, wie es weiter geht und ich war auch vom Schreistil dermaßen gefesselt, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Richtig erstaunt war ich allerdings, als der Autor plötzlich mitten im Buch angefangen hat mit mir, seinem Leser, zu kommunizieren, WOW. Im dritten Teil des Buches hatte ich allerdings so meine kleinen Probleme, ich empfand hier den Schreibstil als eher beunruhigend, sodass ich hier ganz schön am Ball bleiben musste. Alles in allem kann ich sagen, ein sehr schönes Debüt, das in meinen Augen allerdings im dritten Teil etwas nachlässt. Dennoch bin schon sehr gespannt auf weitere Bücher des Autoren, denn einen solch faszinierenden Schreistl möchte ich gerne noch einmal erleben.
 

 

 

 

 

 

 

 

der versuch

 

 

so übel mir ist’s schaukelhirn der gang

zur kante ging (ja noch) doch kurz

davor die beine teigen nun seh ich vögel

fliegen unter mir durchs häusermeer ein

wind stürmt in mein gesicht und

sichert mich mein wanken

steht die augen tropfen und kalt

es ist der wind will drehn

und dräut von hinten ich kann

es nicht fall hin aufs blech

des hohen kratzers und napfe

mit den fingern der heli über mir

mit seinen rotorblättern empfind als wind

ich angenehm bald

lieg ich wieder pritschenhaft in

leicht gezwängter jacke